Behandlung von Fütter- und Essstörungen
Die Alpenklinik Santa Maria verfügt bereits seit mehreren Jahren über ein Therapieangebot für Kinder mit Fütter- und Essstörungen. Dies können Kinder mit körperlichen Erkrankungen sein, z.B. ehemalige Frühgeborene, Kinder mit genetischen Erkrankungen oder Kinder, die eine Ernährungssonde benötigen und davon entwöhnt werden sollen. Aber auch Kinder mit Untergewicht auf Grund eines äußerst gering ausgeprägten Hungergefühls oder Kinder mit sehr selektivem Essverhalten werden bei uns aufgenommen.
Sowohl Säuglinge und Kleinkinder (Altersgruppe 0 – 4 Jahre) als auch Patienten im Vor- bzw. Grundschulalter (Altersgruppe 5 – 10 Jahre), die eine Fütter- oder Essstörung haben, können von uns gezielt behandelt werden. Die Behandlungsdauer beträgt vier Wochen. Alle vier Wochen werden drei Patienten aufgenommen.
Senden Sie Ihre Anfrage bitte per Mail an anfrage_fuetterstoerung@santa-maria.de und das Team wird sich bei Ihnen melden.
Unser multimodaler Behandlungsansatz verbindet Medizin, Psychologie, Therapie, Pädagogik und Pflege miteinander, wie in Abbildung 1 aufgezeigt. Die leitende Ärztin koordiniert in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen PsychologInnen das multiprofessionelle Team. Wichtige Ansprechpartner im Team sind die Kinderkrankenschwestern, welche speziell in der Betreuung von Kindern mit Fütter- und Essstörungen geschult sind. Ebenfalls in die Behandlung miteingebunden sind die Sporttherapeuten und -therapeutinnen der Alpenklinik, sowie die PhysiotherapeutInnen, MototherapeutInnen, MusiktherapeutInnen und LogopädInnen, so dass auch Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen und weiterem Förderbedarf gut bei uns aufgehoben sind. Zudem werden die Patienten von DiätassistentInnen und ErnährungsberaterInnen betreut. Dieses interdisziplinäre Team bietet eine umfassende Betreuung und Therapie der Patienten und ihrer Begleitpersonen.
Die Familien werden in großzügigen Ein-Zimmer-Appartements im Haus Grünten untergebracht. Die Sektion Fütterstörung umfasst ein separates Stockwerk mit einem Therapie- bzw. Esszimmer mit eigener Küche, Aufenthaltsraum und einem Entspannungsraum. Diese räumlichen Gegebenheiten bieten einen geschützten Rahmen für die nötige Ruhe und Kontinuität.
Von einer „Fütter- oder Essstörung" spricht man, wenn Eltern ein Problem im Essverhalten ihres Kindes sehen oder sich darum große Sorgen machen. Meist treten beim Kind über einen längeren Zeitraum Symptome auf, wie Essunlust, sehr wählerisches Essverhalten, Nahrungsverweigerung (auch in Zusammenhang mit Angst vor dem Essen) oder aber dem Alter unangemessene Nahrung/Fütterung. Häufig sind die Mahlzeiten bei diesen Patienten sehr zeitaufwendig (länger als 45 Minuten) und die Eltern haben schon viele verschiedene Versuche unternommen, die Probleme beim Essen zu bewältigen (z.B. durch Ablenkung, Druck, Ignorieren etc.).
Füttern und Essen erfolgt von Anfang an im Kontext der Beziehung und Interaktion zwischen Eltern und Kind, daher verstehen wir Störungen dieses Prozesses immer als Belastung der Interaktion und Beziehung zwischen Eltern und Kind.
Fütter- und Essstörungen können einerseits im Zusammenhang mit organischen oder psychischen Grunderkrankungen des Kindes auftreten. In solchen Fällen ist die Fütter- und Essproblematik als Begleiterscheinung der zugrundeliegenden körperlichen oder psychischen Erkrankung zu sehen. In der Regel kommt es mit Besserung der Grunderkrankung auch zu einer Besserung der Fütterstörung.
Fütter- und Essstörungen können aber auch bei primär körperlich und seelisch gesunden Kindern auftreten. Dabei können im Säuglings- und Kleinkindalter verschiedene Untergruppen unterschieden werden (Chatoor 2011). So haben manche Säuglinge in den ersten Lebensmonaten Regulationsprobleme, die sich in unstillbaren Schreiepisoden, Schlafproblemen und/oder auch Fütterproblemen äußern können. Andere Kinder leiden schon sehr früh an organischen Erkrankungen, die eine (zeitweise) Ernährung mittels Sonde o.ä. erforderlich machen. Es kann sein, dass das Kind bei der Entwöhnung von der Sonde Schwierigkeiten hat und die Familie professionelle Unterstützung braucht. Bei anderen Kindern kann es infolge grundlegender elterlicher Belastungen oder Erkrankungen zu Einschränkungen in der elterlichen Fürsorge und dadurch zu Fütter- und Essstörungen kommen. Bei manchen Kindern kann sich typischerweise im Alter zwischen 9 Monaten und 3 Jahren ein regelrechter Machtkampf um das Thema „Essen" entwickeln, diese Kinder haben oft ein vermindertes Hungergefühl. Sie sind andererseits aber willensstark und sehr an ihrer Umwelt interessiert, so dass sie nach kurzer Zeit am Tisch die Lust am Essen verlieren. Wiederum andere Kinder zeigen ausgesprochene Vorlieben oder Abneigungen gegenüber ganz bestimmten Nahrungsmitteln und essen zunehmend selektiv. Schließlich entwickeln einige Kinder nach Eingriffen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, gelegentlich auch nach Anwendung von Zwang, eine panische Abwehr gegenüber Berührung und sonstigen Reizen im Gesichtsbereich, so dass es zu einer anhaltenden Nahrungsverweigerung kommen kann.Dabei kann zusätzlich eine Gedeihstörung vorliegen, d.h. das Kind ist untergewichtig oder zu klein für sein Alter. Es kann aber auch normal entwickelt sein.
Nach einer umfassenden somatischen sowie psychologischen Diagnostik erfolgt im interdisziplinären Team die Klassifikation der Fütter- bzw. Essproblematik entsprechend der bekannten Untergruppen (s.o.). Dazu gehört auch die Beobachtung einer Essensituation und der Eltern-Kind-Interaktion mittels Videographie. Auf Basis der hier gewonnenen Erkenntnisse werden realistische Therapieziele und –schritte mit der Begleitperson vereinbart bzw. besprochen. Um die festgelegten Ziele erreichen zu können, arbeiten die Bereiche Medizin – Psychologie – Pflege – Therapie intensiv miteinander zusammen.
Die behandelnden ÄrztInnen sichern die medizinische Versorgung, die Anpassung einer evtl. medikamentösen Behandlung und kontrollieren regelmäßig den Gesundheitszustand des Kindes. Bei Bedarf wird zusätzliche Diagnostik durchgeführt.
Von Seiten der Psychologie werden verhaltenstherapeutische Interventionen (z.B. Verstärkungslernen) und Beratungen zur Eltern-Kind-Interaktion angeboten. Die Videographie wird genutzt, um z.B. vorhandene Ressourcen aufzuzeigen und zusammen mit den Eltern positive sowie verbesserbare Verhaltensweisen herauszuarbeiten. Die teilweise schwierigen Fütter- und Esssituationen können Gefühle von Versagen, Angst, Hilflosigkeit als auch Ärger gegenüber dem Kind auslösen, was im Rahmen der psychologischen Gespräche thematisiert werden kann. Die Aufarbeitung psychodynamisch relevanter Themen unterstützt den therapeutischen Prozess unserer Erfahrung nach sehr positiv.
Die Pflegekräfte sind neben der therapeutischen Begleitung des Mittagessens auch die direkten Ansprechpartner und Bezugspersonen für die Patienten und ihre Angehörigen. In möglichen Krisensituationen stehen sie den Eltern zudem beratend und unterstützend zur Seite, so dass z. B. Trennungs- und Grenzsetzungskonflikte unter Anleitung erfolgreich gelöst werden können. Zusätzlich gibt es, je nach Bedarf, die Möglichkeit einer Erziehungsberatung durch die Diplom-Sozialpädagogin unseres Teams.
Je nach Grunderkrankung der Patienten kommen weitere individuelle Anwendungen zum Einsatz. Hierzu zählen beispielsweise Sport-, Physio- oder Mototherapie, Logopädie oder auch Entspannungstraining. Ressourcen stärkend und Selbsterfahrung fördernd wirkt auch die Musiktherapie, die sich individuell an den Patienten, die Begleitperson und innerhalb des familienzentrierten Ansatzes auch an Geschwisterkinder richtet.
Die DiätassistentInnen im Team kümmert sich um die Zubereitung der zur Therapiezielerreichung notwendigen Speisen, welche je nach vorliegender Problematik in Konsistenz, Textur, Geschmack, Temperatur oder Inhaltsstoffen variieren können.
Je nach Bedarf wird unter Absprache mit dem zuständigen Arzt ein Beratungsgespräch mit den ErnährungsberaterInnen geführt. Dieses wird speziell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Themenschwerpunkte können hier unter anderem natürliche/hochkalorische Anreicherungsmethoden sowie die Zubereitung und Gestaltung von Speisen sein.
Die während des Aufenthaltes fortlaufend durch die Eltern geführten Ernährungsprotokolle werden von den ErnährungsberaterInnen nach Kalorien- und Nährstoffgehalt ausgewertet und erlauben es so, evtl. Mangelzustände aufzudecken und gegebenenfalls zu beheben. Auch können auf dieser Basis Ideen für neue Nahrungsmittel oder Zubereitungsformen besprochen werden.
Zudem finden regelmäßige der Indikation angepasste, individuelle Essens- und Sinneserprobungen mit den Kindern statt, mit dem Ziel das Nahrungsspektrum zu erweitern. Dies bietet die Möglichkeit sich an neue Nahrungsmittel spielerisch heranzutrauen und diese gegebenenfalls zu probieren.
Während des Aufenthaltes und der Therapie in der Klinik kommt das interdisziplinäre Team zu regelmäßigen Fallbesprechungen zusammen, um gemeinsam die Therapieziele zu kontrollieren und gegebenenfalls die Behandlung anzupassen.
Zum Ende Ihres Aufenthaltes in unserer Klinik folgen entsprechende Abschlussgespräche. Hierbei wird das weitere Vorgehen und Ziele für zu Hause besprochen sowie Hilfestellungen für die Anbindung an zuständige Stellen im ambulanten Sektor gegeben. Gerne können die weiterbehandelnden Einrichtungen mit uns Kontakt aufnehmen, wenn Unklarheiten bezüglich der passenden Weiterbehandlung auftauchen.
Darüber hinaus nimmt das gesamte Team alle 3 Monate an einer externen Supervision mit erfahrenen KollegInnen aus dem Kinderzentrum in München teil. Die hierbei erarbeiteten Aspekte bringen oft zusätzliche Anregungen und sichern die hohe Qualität unserer Arbeit. Alle Teammitglieder bilden sich zudem regelmäßig extern zum Thema Fütter- und Essstörungen fort und bereichern so die Arbeit und erweitern den Horizont.